Das muss man etwas erweitern:
Antischlupfregelungen (ASC, ASC+T und Nachfolger) reagieren nur auf Schlupf an der Antriebsachse: Diesen stellen sie mit Hilfe der ABS-Sensoren fest: Das System bekommt Infos über die Drehzahlen aller vier Räder. Wenn die hinteren Räder (oder eines der beiden hinteren Räder) zu schnell drehen, dann schliesst das System auf durchdrehende Räder: Es versucht nun, dies zu beheben. Das kann je nach Variante unterschiedlich passieren:
- Bremseingriff am zu schnell drehenden Rad (frühere Versionen)
- Spätere Versionen haben außerdem eine zusätzliche Drosselklappe am Motor. Diese wird geschlossen und reduziert die Leistung. Das ist so, als ob der Fahrer Gas wegnimmt.
Bei ASC+T sind beide Varianten vorhanden. Beim E36 lässt es sich komplett ausschalten, ist nach Neustart des Motors aber wieder aktiv.
ESP:
Hier ist der Messaufwand erheblich höher und der Eingriff komplexer:
Das System bekommt wie oben Infos von den ABS-Sensoren über Raddrehzahlen. Zusätzlich allerdings bekommt es Infos von einem Gierratensensor darüber, ob das Auto um seine Hochachse eine Drehbewegung ausführt. Weiterhin teilt ein Lenkwinkelsensor dem System mit, wie die Lenkung eingeschlagen ist.
Wenn es nun z.B. zu einem Giermoment um die Hochachse kommt, das nicht zum Lenkwinkel passt oder die Hinterräder zu hohe Drehzahl haben und gleichzeitig ein Giermoment entgegen dem Lenkeinschlag gemessen wird, dann vermutet das Sytem übersteuern und schleudern: Es regiert gezielt mit einem Bremseingriff am kurvenäußeren Vorderrad und baut damit ein Giermoment in die entgegengesetzte Richtung auf um das Übersteuern zu beenden. Gleichzeitig wird sicher Gas weggenommen, ggf. auch durchdrehenden Hinterräder leicht abgebremst.
Wenn das Giermoment geringer ist als der Lenkeinschlag wittert ESP untersteuern und macht einen gezielten Bremseingriff am kurveninneren Hinterrad (was bei Schnee leider kaum Effekt hat, da wenig Grip vorhanden ist!!) und verstärkt damit das Giermoment in die Kurve hinein.
ESP ist je nach Hersteller abschaltbar. Real ist bei den meisten Autos heute zwar ein Schalter da, der schaltet ESP aber nicht ab. Oft setzt er nur die Eingriffsschwelle etwas hoch. (Neben dem Fahrspaß kann es leider auch bei Schnee zu erheblichen Problemen kommen, weil das ESP den Gashahn so weit zudreht, dass kein Anfahren mehr möglich ist. Oder kein Betrieb mit Schneeketten wegen unterschiedlicher Abrollumfänge mit/ohne Ketten, die als Durchdrehen der Räder interpretiert werden).
Bei anderen Wagen wird ESP sofort wieder aktiv, wenn man die Bremse benutzt. Bei manchen genügt schon das Antippen der Bremse. Im günstigeren Fall (z.B. Porsche Boxster) nur dann, wenn ein Rad im ABS-Regelbereich regelt. Bei wieder anderen ist es komplett abschaltbar, aber nur während das Auto steht (man kann also nicht währen der Fahrt mal eben schnell abschalten, sondern muss zum Abschalten erst anhalten).
Teilweise gibt es eine stufenweise Abschaltung: ESP und Traktionskontrolle voll aktiv / Traktionskontrolle aus und ESP an / Trakionskontrolle aus und ESP lässt leichte Driftwinkel zu / ESP und Traktionskontrolle aus. Leider geht diese Kette eben oft nicht bis zur kompletten Abschaltung.
Bei BMW ist das ESP angeblich wohl noch abschaltbar,
ABER das ist heute leider nicht mehr die ganze Wahrheit! Denn heute gibt es halt noch weitere Systeme, die mit dem ESP verlinkt sind:
- Da wäre zum einen eine elektronische Simulation der Differenzialsperre, eigentlich ganz ähnlich wie das allererste ASC (siehe oben), also Bremseingriff, ohne Gas wegzunehmen.
Diese Funktion ist in immer mehr BMWs real NICHT abschaltbar! In der Theorie ist das ganz toll, in der Praxis ist es bei weitem kein Ersatz für eine mechanische Sperre und wird von BMW (neben untersteuernden Fahrwerken) eher benutzt, um Unfälle durch die bei Nässe sehr zickigen Runflat-Reifen zu verhindern, insbesondere mit den unten herum sehr drehmomentstarken Turbomotoren. Es ist real also eher Spaßbremse als sportliches Feature.
(
Hier diskutieren wir das Reifenproblem gerade)
- Ein weiterer Problembereich ist der Allradantrieb. Wenn dieser eine variable Kraftverteilung über eine elektronische Steuerung hat (scheint bei X-Drive der Fall zu sein), dann benötigt diese natürlich Infos vom ESP, wie sie die Kraft verteilen soll. Eine ESP-Abschaltbarkeit existiert damit natürlich nur noch auf dem Papier.
Für sportliches Fahren geht das natürlich alles GAR NICHT und man muss daher heute leider wirklich SEHR genau recherchieren, was abschaltbar ist und was nicht.
Der M135i ist bei mir z.B. exakt deshalb von der Liste geflogen, weil er eine nicht abschaltbare elektronisch simulierte "Differenzialsperre" hat.
Grüße
ChrisH
Bearbeitet von: ChrisH am 02.03.2013 um 18:24:23